Verlegung des 100. Stolpersteines in Koblenz

Am Donnerstag, dem 13. November 2014, um 12.30 Uhr wurden im Beisein von Oberbürgermeister Prof. Dr. Joachim Hofmann-Goettig auf dem Zentralplatz (Ecke Forum Confluentes) vier Stolpersteine für die Familie Kaufmann (Vater, Mutter und zwei minderjaehrige Soehne) verlegt. Darunter war der 100. Stolperstein in Koblenz. Die Gestaltung sowie die Finanzierung uebernehmen die Hans-Zulliger-Schule und die Diesterweg-Schule.

 

Jüdisch-christliche Feier im Gedenken an die Reichspogromnacht

Für Sonntag, den 09. November 2014, um 15 Uhr lädt die Christlich-Jüdische Gesellschaft für Brüderlichkeit Koblenz wie in jedem Jahr zu einer Gedenkfeier vom 9. November 1938 in den Gemeindesaal der Koblenzer Synagoge, Schwerzstr. 14 ein.
Die Feierstunde steht unter dem Thema "Denkstein und Namensgedächtnis - zur Erinnerung an jüdische Soldaten im 1. Weltkrieg".
Die Ansprache halten Helene Thill und Irina Stern aus Koblenz. Musikalisch gestaltet wird die Feier von Musikerinnen und Musikern der Jüdischen Kultusgemeinde.
Die liturgische Leitung hat Kantor Joseph Pasternak.Nach der Feier in der Synagoge legen Vertreter der Stadt Koblenz einen Kranz am Denkstein auf dem jüdischen Friedhof nieder.

Weitere Gedenkveranstaltungen fanden statt in:

Andernach,   Sonntag, 9. November 2014, um 19 Uhr,
Treffen am Historischen Rathaus, Hochstraße, Mahngang zu einigen Stolpersteinen

Koblenz, Citykirche am Jesuitenplatz
Samstag, 8. November 2014, um 18.30 Uhr
Ökumenisches Pogromgedenken

Münstermaifeld, Stiftskirche und anschließend Gang zur Synagoge
Sonntag, 9. November 2014, um 18.30 Uhr
interreligiöse Gedenkfeier

Neuwied, Mahnmal in der Synagogengasse
Sonntag, 9. November 2014, um 11 Uhr
Gedenkfeier der Stadt Neuwied und des Deutsch-Israelischen Freundschaftskreises

Neuwied, Marktkirche
Sonntag, 9. November 2014, um 17 Uhr
Eröffnung einer Ausstellung, die der Dokumentation der Verlegung der Stolpersteine
in Neuwied und Umgebung und dem Schicksal dieser Neuwieder Familien gewidmet ist

Synagoge Saffig
Sonntag, 16. November 2014, um 15 Uhr
Gedenken des Förderkreises der Synagoge Saffig und der Jüdischen Gemeinde Neuwied-Mittelrhein

 

Heimatbesuch vom 7. - 14. September 2014

Auch für dieses Jahr haben wir wieder ehemalige jüdische Koblenzer und Vallendarer zum Heimatbesuch eingeladen.

Den Besuch der Gedenkstunde am Montag mit anschließender Begegnung mit unseren Gästen und dem Vortrag von Lea Sassoon legen wir Ihnen besonders ans Herz. Auch die Stadtrundfahrt mit dem historischen Bus der Kevag am Dienstag ist eine gute Gelegenheit zu Gesprächen. Das Missverständnis ist immer noch nicht ausgeräumt, dass bei diesen Begegnungen nur besondere Teilnehmer eingeladen seien. Alle sind herzlich eingeladen!

Folgendes Programm ist vorgesehen:

Sonntag, 7. September 2014, 17.30 Uhr
Begrüßungsempfang im Hotel Brenner

Montag, 8. September 2014, 17 Uhr
Gedenkstunde auf dem jüdischen Friedhof
Anschließend Dia-Vortrag von Lea Sassoon im Gemeindesaal der Koblenzer Synagoge

Dienstag, 9. September 2014
Stadtrundfahrt mit dem Historischen Bus der Kevag;
nach der Rundfahrt Ausklang mit Kaffee im Hotel Brenner

Mittwoch, 10. September 2014, 12 Uhr
Empfang der Gäste durch den Oberbürgermeister im Weindorf Koblenz

Donnerstag, 11. September 2014
Tag zur freien Verfügung

Freitag, 12. September 2014
10.30 Uhr Zeitzeugengespräche im Bischöflichen Cusanus-Gymnasium
15.00 Uhr Kaffee und Kuchen im Hotel Brenner auf Einladung des Freundschaftskreises Koblenz � Petah Tikva
19.00 Uhr Gottesdienst zu Erew Schabbat mit anschließendem Kiddusch

Samstag, 13. September 2014, 10 Uhr
Schabbat-Gottesdienst

Sonntag, 14. September 2014
Abreisetag

 

Vortrag mit Lichtbildern am Montag, dem 14. Juli 2014, um 19 Uhr im Gemeindesaal der Synagoge, Schwerzstraße 14:

Jerusalem am Rhein - Geschichte der SchUM-Gemeinden Speyer, Worms, Mainz

Referentin: Dr. Ursula Reuter, Salomon Ludwig Steinheim-Institut, Duisburg

Um das Jahr 1000 entstand am Rhein eine neue jüdische Kultur, die der Juden von "Aschkenas". Die Grundlagen dafür wurden in den berühmten SchUM-Gemeinden Speyer, Worms und Mainz gelegt. Bis heute sind in den drei Städten bedeutende jüdische Monumente erhalten: in Speyer der Judenhof mit der Ruine der alten Synagoge und der Mikwe, in Worms die Judengasse mit der 1961 wiedererrichteten Synagoge sowie der "Heilige Sand", der älteste jüdische Friedhof in Europa, und in Mainz der sogenannte Denkmalfriedhof. Im Mittelpunkt des Vortrags stehen Geschichte sowie geistige und materielle Kultur der Kehillot SchUM und ihre Ausstrahlung auf die jüdische Welt vom Mittelalter bis heute.

Der nächste Vortrag der Reihe findet voraussichtlich im November 2014 statt:
Zur Architektur des Synagogenbaus in Deutschland

 

Ausstellung im Juli 2014 zum 70. Jahrestag des Attentats auf Hitler

Anlässlich der 70. Wiederkehr des Jahrestags des Attentats auf Hitler vom 20. Juli 1944 veranstaltet der Förderverein Mahnmal in den Räumen der Sparkasse Koblenz in der Schlossstraße eine Ausstellung, die am 7. Juli 2014 um 18 Uhr eröffnet wird. Sie beleuchtet vor dem Widerstand in Deutschland allgemein insbesondere Wirken und Schicksal von Widerständlern aus dem hiesigen Raum.

Die Ausstellung läuft vom 7. bis 25. Juli 2014 und ist während der Öffnungszeiten der Sparkasse zu besichtigen: werktags von 9 bis 17 Uhr, donnerstags von 9 bis 18 Uhr und samstags von 9.30 bis 14.00 Uhr.

 

Beginn der Vortragsreihe "Vom Tempel zur Synagoge"

Erster Vortrag (mit Lichtbildern) am Montag, den 24. März 2014, um 19 Uhr:

"Der Tempel in Jerusalem - von der Zeit Salomos bis zur Zeit des Herodes"
Referent: Prof. Dr. Wolfgang Zwickel, Universität Mainz
Ort: Gemeindesaal bei der Synagoge
(Ecke Schwerzstraße/Schlachthofstraße)

 

Rhein-Zeitung vom 16.05.2014

rz 16 5 2014

 

Bei der Mitgliederversammlung am 24. März 2014 wurde ein neuer Vorstand der Christlich-Jüdischen Gesellschaft für Brüderlichkeit e.V. Koblenz gewählt, der sich sich wie folgt zusammensetzt:

Pfarrer Wolfgang Hüllstrung, 1. Vorsitzender (ab 1. Januar 2015)
Avadislav Avadiev, 2. Vorsitzender
Stefanie Maltha, Geschäftsführerin
Kantor Joseph Pasternak, Beisitzer
Pfarrer Hans-Werner Schlenzig, Beisitzer (kommissarischer Vorsitzender bis 31.12.2014)

Erweiterter Vorstand:

Uwe Diederichs-Seidel
Pfarrer Gernot Jonas
Dr. Paul Petzel
Elmar Ries
P. Alban Rüttenauer
Volodymyr Vaysman

Allen Gewählten sagen wir ein herzliches Dankeschön für ihre Bereitschaft zur Mitarbeit und wünschen ihnen Gottes Segen für ihre künftige Arbeit.

Neu im Vorstand bzw. erweiterten Vorstand sind Avi Avadiev und Uwe Diederichs-Seidel.

Auf eigenen Wunsch ausgeschieden ist Dr. Michael Aranowski. Ihm sei herzlich gedankt für seine bisherige Tätigkeit im erweiterten Vorstand.

 

Gründung des Fördervereins Neue Synagoge am 20. März 2014

Die Christlich-Jüdische Gesellschaft ist dem Förderverein mit Gründung beigetreten. Wir würden es sehr begrüßen, wenn auch viele Mitglieder der CJG dem Förderverein beitreten würden, um den Synagogenneubau finanziell zu unterstützen. Der Mindest-Jahresbeitrag beträgt 12,00 �. Weitere Informationen erhalten Sie beim Förderverein Neue Synagoge für Koblenz e.V., c/o Evangelischer Kirchenkreis Koblenz, Mainzer Str. 81, 56075 Koblenz, Telefon (02 61) 91161-29, Fax -66, E-Mail Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

 

Rhein-Zeitung vom 10.03.2014

rz 10 3 2014

 

Menetekel am Hauptbahnhof und Gedenkschild am Bahnhof Lützel

 

Foto Bahnhof 2

 

Am Hauptbahnhof Koblenz

Die Ausstellung der Deutschen Bahn 2011 im Lützeler Eisenbahnmuseum über die Deportationen der Reichsbahn fand große Beachtung. Die drei Vereine, sowie die Sinti und Roma von Koblenz beschlossen, über die Ausstellung hinaus eine „Markierung“ dieser denkwürdigen Ereignisse für den Koblenzer Hauptbahnhof und den Lützeler Bahnhof zu realisieren. Die Form des zu stiftenden Denkmals sollte einem heutigen künstlerisch-ästhetischen Stand entsprechen, wie er sich in der Erinnerungskunst und dem sie begleitenden Mahnmal-Diskurs der letzten 30 Jahre entwickelt hat.

Zum Namen „Menetekel“: Biblisch sah der babylonische König Belsazzar bei einem gotteslästerlichen Gelage erschreckt eine mysteriöse Hand in Feuerschrift eine unverständliche Folge von Buchstaben an die Wand schreiben: Mene mene tekel uparsin. Der Prophet Daniel deutete sie ihm als göttlichen Gerichtsspruch (Daniel 5. Kapitel).

Menetekel, seitdem als Vokabel für warnende Hinweise aufgefasst, erscheint in Koblenz durch die installierte Laufschrift in ganz unmysteriöser Weise auf einer Wand der Bahnhofshalle. Ob ihr Text heute zum Menetekel wird, das Wachsamkeit für aktuelle Gefahren des Antisemitismus und Verachtung der Sinti und Roma, Fremdenfeindlichkeit
aber auch für eine Pietät gegenüber den Toten wird, entscheiden die Passanten dieses Ortes.

Text des Menetekels am Hauptbahnhof :

Von diesem Bahnhof sowie dem ehemaligen Güterbahnhof Koblenz-Lützel wurden während der Terrorherrschaft des Nationalsozialismus weit über eintausend Juden, Sinti und Roma, Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschafter, engagierte Christen, Bürgerliche, katholische und evangelische Geistliche, Zeugen Jehovas, Emigranten, Zwangsarbeiter,
Homosexuelle, Kriegsdienstverweigerer und andere Opfer verschleppt. Fast immer stand am Ende ihrer Reise der Tod.“

 

Am Bahnhof Lützel

Lützel 2Lützelschild

  

Künstlerisches Konzept des Koblenzer Menetekels

oder: Gedenken an die Deportationen der NS-Zeit am Transit-Ort: Bahnhof Koblenz

1. Anlass und zeitgeschichtlich-künstlerischer Kontext

Die Ausstellung der Deutschen Bundesbahn über die Deportationen der Reichsbahn 2011 im Koblenzer Bahnhof fand große Beachtung. Mehrere Vereine, die jüdische Gemeinde wie die Sinti von Koblenz beschlossen, über die Ausstellung hinaus eine „Markierung“ dieses denkwürdigen Ereignisses zu realisieren. Sie werden in diesem Vorhaben unterstützt von zahlreichen Bürgern und Bürgerinnen, Kirchen und allen Fraktionen des Stadtrats.

Die Form des zu stiftenden Gedenkmals sollte einem heutigen künstlerisch-ästhetischen Stand entsprechen, wie er sich in der Erinnerungskunst und dem sie begleitenden Mahnmal-Diskurs der letzten 30 Jahre entwickelt hat.

Mit Blick auf das Gedenken der NS-Zeitbefinden wir uns in einer markanten Übergangssituation: der von einer Zeit der ZeitzeugInnen zu einer Zeit danach. Nach Jan Assman ist diese Zeit charakterisiert durch den Übergang einer informellen kommunikativen Erinnerung zu einer kollektiven. Während erstere die Erinnerung an das Geschehen insgesamt unorganisiert in lebensweltlicher Kommunikation weitergibt, verlangt die Phase danach, dass sich ein Kollektiv bzw. eine Gesellschaft bewusst auf Formen und Rituale verständigt, die die Erinnerung wachhält.

Der Grund für diesen Übergang: die erlebte Hinfälligkeit der ZeitzeugInnen legt dabei den Gedanken an Stein und Metall als Medien der Erinnerung nahe. Schließlich eignet beiden eine „Aura“ fast von Ewigkeit. Zumindest übersteigt beider Halbwertzeit die des Menschen um ein Vielfaches. Als Formen stehen Stelen, Säulen u.ä. wie Tafeln traditionell zur Verfügung. Auf diesen Formen lastet allerdings eine ästhetische wie politisch Hypothek: Sie funktionieren wie ein Passepartout, erinnern in derselben Form an alles Mögliche und werden austauschbar. Unbeabsichtigt leisten sie so einem Gedenken Vorschub, das nivelliert.

So etwa ein Mal von Richard Serra, das "Berlin Junction" heißt und in Berlin in der Tiergartenstrasse 4 vor dem Gebäude steht, von dem aus die Euthanasie als Geheimaktion gesteuert wurde. Zwei geschwungene großdimensionale Cortenstahl-Platten lassen einen „schmalen, bedrohlich wirkenden, schluchtartigen Durchgang entstehen. Obwohl nicht als Mahnmal für diesen Ort und Zweck entworfen, wurde die zuvor auf Ausstellungen präsentierte Skulptur vom Künstler selbst und von den Initiatoren (...) nun so interpretiert und durch eine in den Boden eingelassene Gedenktafel des Künstlers Volker Bartsch dem "T4"-Gedenken gewidmet." (Stefanie Endlich) Das allerdings bringt die Fragwürdigkeit dieser Mahnmalpraxis zum Vorschein. Wenn Skulpturen so multifunktional sind, dass sie praktisch überall hin passen, fragt man sich, ob die Formel selbst, der sie folgen, stimmen kann. Verbindet sie nicht allzu locker die Skulptur mit dem Ort und damit auch das Gedenken mit dem Geschehenen - eben rein additiv und damit so, dass durch schlichte "Subtraktionen" diese Zusammenhänge aufgelöst oder umfunktioniert werden können? Und bieten sich solche Mahnmale nicht geradezu dem Missbrauch an, nämlich je nach politischer Konstellation und Tageslaune umgewidmet zu werden? Das ist nicht nur eine abstrakte Möglichkeit, sondern Realität Das "Mahnmal zum Gedächtnis des Widerstands im Dritten Reich" von Hans Uhlmann, selbst Häftling in dieser Zeit, konnte so mühelos zum Denkmal für die Opfer des 17. Juni umdeklariert werden. Genau besehen wird in solchem Umgang die Verdinglichung von Menschen zu Opfern auf der Ebene symbolischer Repräsentation wiederholt. Sowohl die reale Erniedrigung zu Nummern wie die symbolische Umwidmung zeigen, dass man die Betroffenen für austauschbar hält.

In der überraschend innovativen und künstlerisch schon heute sehr anerkannten Mahnmal-Kunst der letzten Jahrzehnte hat sich ein Verständnis durchgesetzt, das Gedenkstättenforscher J.E.Young als „Antidenkmäler“ apostrophiert hat. Verschränkt war und ist dieser Prozess mit einem Diskurs, der in großer Breite geführt, intensiv Bedingungen, Funktionsweisen, Medien und Formen des kulturellen Erinnerns durchdrungen hat. Mahnmale in diesem Zusammenhang sind skeptisch geworden gegenüber Stele, Säule und Sockeln. Die Aura des Ehernen und Bronzenen kann zu leicht verleiten zu einem Gedenken, das feiertäglich ritualisiert durchgeführt wird, doch lebenspraktisch unverfänglich bleibt. Angezielt wird deshalb ein niedrigschwelliges Gedenken. Erinnern soll unpathetisch in den Alltag des zivilen Lebens integriert sein. „Erinnern ist wie Blumengießen“, meinte Jochen Gerz, um dieses Moment eines unprätentiösen Erinnerns zu benennen. Für die künstlerische Gestaltung bedeutet das, dass sie nicht einfach triviale Muster der Alltagswahrnehmung wiederholt, doch sich in diese Kontexte, Differenz setzend, einbringt. Deshalb wurden Mahnmale entsockelt und kommunikativ gemacht. Nicht auf Stein und Metall als Erinnerungsmedien wird primär gesetzt, sondern darauf, dass lebendige Menschen sich involvieren lassen. Jochen Gerz und seine Frau Esther Shalev-Gerz bringen das pointiert zum Ausdruck, wenn sie bürgerschaftliches Engagement statt Steinen reklamieren. Auf dem Mahnmal gegen Faschismus, Krieg, Gewalt (1986), das als Musterbeispiel sozial-interaktiver Erinnerungskunst gilt, endet ihr Appell an die Bürger um Beteiligung mit der Klarstellung:

 „Denn nichts kann auf Dauer an unserer Stelle sich gegen das Unrecht erheben.“

2. Konzept des Koblenzer „Menetekel“ – oder: Laufschrift am Ort der Deportation

Für das Gedenken auf dem Koblenzer Bahnhof werden aus der obigen Skizze zwei Kriterien abgeleitet, die zur Geltung zu bringen sind:

1. Spezifik: Eine Gedenkmarkierung sollte dem Geschehen, an das zu erinnern ist, in spezifischer Weise nahekommen.

2. Kontextuelle Einbettung: Sie sollte sich durch eine Aufmerksamkeit für den Kontext und die damit gegebenen Rezeptionsweisen der Angesprochenen ausweisen.

Wer sich am Bahnhof aufhält, sucht hier keine Bleibe. Er erwartet Ankommende oder begleitet Abfahrende, kommt selber an oder ist am Abreisen. Der Bahnhof ist Transitort schlechthin. Wie nun an einem so durch und durch „flüchtigen“ Ort dem Gedenken einen Bleibe geben?

Für viele Menschen, Juden und Jüdinnen, Sinti und andere war er der Ort, von dem sie deportiert wurden. Nicht wenige Zuschauer und Zuschauerinnen dieses Geschehens wussten auch damals schon, was heute ein Mahnmal veranlasst: Es war ein Transit in den gewaltsamen Tod. Die Deportation als Moment der Verfolgung und Vernichtung ist deshalb für ein künftiges Gedenken von besonderer Bedeutung, weil an diesem (halb-)öffentlichen Ort die Diskriminierung und Exkommunikation aus der Öffentlichkeit in so klarer Weise für die Bürger und Bürgerinnen der Stadt sichtbar wurde. Historisch belegt ist, dass es auch damals öffentlich wahrgenommen wurde als das, was wir heute Event nennen: ein durchaus spektakuläres Ereignis…

An dieses Geschehen soll mit einer Laufschrift erinnert werden. Sie ist flüchtig wie das Geschehen an diesem Ort bis heute, sie ist transitorisch wie es die Deportation war. Sie „schmiegt“ sich „an“ an die Medien und Wahrnehmungsweisen, die in der Bahnhofshalle zu finden sind. Von diesen hebt sie sich so wenig ab, wie die damaligen Deportationen ihrerseits nicht aus dem Transportsystem ausgenommen waren. Im Gegenteil: Waggons, Lokomotiven Schienen und Weichen, die gesamte professionelle Logistik griff schließlich, um diesen Transit möglichst effektiv zu realisieren. In der Sprache des Ortes und mit seinen Zeichen soll an das Geschehen an diesem Ort erinnert werden.

Den heute Reisenden begegnen hier diverse Werbungsanzeigen und zentral die Anzeige ihrer Abfahrt. Wer danach Ausschau hält, begegnet im ähnlichen Medium der Information, was in der NS-Zeit am selben Ort, im selben Zusammenhang des Reisens und doch so abgründig „anders“ geschah. Dieses „Mahnmal“ hebt darauf ab, dass gerade die situative und mediale Ähnlichkeit die Differenz des Textes zu den anderen wie Werbung und Abfahrtszeiten umso schärfer wahrgenommen wird.

Dem Ort und seinem Transitcharakter entsprechend kann und will der Text nicht lang sei. Denkbar knapp verzichtet er darauf, auch nur den Schmerz der damals Betroffenen wie ihrer Nachfahren anzudeuten. Verzichtet wird auf Aussagen zu den Umständen der Deportation oder einer Bedeutung für uns Heutige.

„Von diesem Bahnhof sowie dem ehemaligen Güterbahnhof Koblenz-Lützel wurden während der Terrorherrschaft des Nationalsozialismus weit über eintausend Juden, Sinti und Roma, Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschafter, engagierte Christen, Bürgerliche, katholische und evangelische Geistliche, Zeugen Jehovas, Emigranten, Zwangsarbeiter,

Homosexuelle, Kriegsdienstverweigerer und andere Opfer verschleppt. Fast immer stand am Ende ihrer Reise der Tod.“

Gehofft wird, dass dennoch, oder gerade wegen der „flüchtigen“, beiläufigen und knappen Gestalt der Botschaft der ein oder die andere die Erinnerung an dieses Geschehen mit auf die eigene Reise nimmt. Eine Halterung unterhalb der Laufschriftanzeige hält Material mit historischen Informationen für Interessierte bereit.

Entsprechend soll am Bahnhof Koblenz-Lützel ein Blechschild über dem Zugang zu den Gleisen angebracht werden, das sich in Material und Form an die in diesem Kontext zu findenden und erwarteten Hinweisschilder anpasst: eine schwarze einfache Schrift auf weißem Grund teilt mit:

„Von diesem Bahnhof, der damals ein reiner Güterbahnhof war, wurden in den Jahren 1942 und 1943 insgesamt 870 jüdische Mitbürgerinnen und

Mitbürger verschleppt. Nur einige wenige überlebten das Grauen der Konzentrations- und Vernichtungslager.“

Zum Namen Menetekel: Biblisch sah der babylonische König Belsazzar bei einem blasphemischen Gelage erschreckt eine mysteriöse Hand in Feuerschrift eine unverständliche Folge von Buchstaben an die Wand schreiben: Mene mene tekel uparsin. Der Prophet Daniel deutete sie ihm als göttlichen Gerichtsspruch. (Daniel 5. Kapitel)

Menetekel, seitdem als Vokabel für warnende Hinweise aufgefasst, erscheint in Koblenz durch die installierte Laufschrift in ganz unmysteriöser Weise auf einer Wand dieses halböffentlichen Raumes. Ob ihr Text heute zum Menetekel wird, das Wachsamkeit für aktuelle Gefahren des Antisemitismus und Verachtung der Sinti, Fremdenfeindlichkeit aber auch für eine Pietät gegenüber den Toten wird, entscheiden die Passanten dieses Ortes.

Dr. Paul Petzel

 

 

Paul-Eisenkopf-Preis

eisenkopfklein Zur bundesweiten Woche der Brüderlichkeit im März lobt die Christlich-Jüdische Gesellschaft für Brüderlichkeit in allen ungeraden Jahren den mit 1000 EUR dotierten Paul-Eisenkopf-Preis aus. Mit dem Preis sollen Personen, Schulklassen oder andere Gruppen ausgezeichnet werden, die sich im Bewusstsein der deutschen Vergangenheit um das Gelingen des Zusammenlebens von Menschen unterschiedlicher Religion, Herkunft, Nationalität, Kultur und Weltanschauung bemüht haben beziehungsweise bemühen.

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Stolpersteine

steineAuf Bitten des Kulturausschusses der Stadt Koblenz hat die Christlich-Jüdische Gesellschaft die Recherche, Koordination und Finanzierung des Gedenkprojektes „Stolpersteine“ übernommen. Dabei werden vor dem letzten selbst gewählten Wohnort der Nazi-Opfer Messingplaketten verlegt, auf denen Name, Vorname, Jahrgang und Schicksal der betreffenden Person doku­mentiert sind.

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der Christlich-Jüdischen Zusammenarbeit.

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