Aktuelles
Informationen zu länger zurückliegenden Veranstaltungen sind unter dem Menüpunkt BERICHTE zu finden.
Ermutigung gegen die Machtlosigkeit
Vortrag von Ernst Heimes über die Nachermittlungen zum KZ-Außenlager Cochem unter dem Titel „Bevor das Vergessen beginnt“ am 25. September 2024
Man hätte eine Stecknadel fallen hören können, so still war es nach dem Vortrag von Ernst Heimes.
Dabei hatte der Autor noch zu Beginn seiner Lesung das aus einem kleinen, aber feinen Kreis von knapp 20 Personen bestehende Publikum ausdrücklich zu einem Gespräch im Anschluss eingeladen. Nun schien er fast selber von der Wirkung seiner vorgetragenen Worte überrascht. Die verschiedenen Zeitzeugenberichte, darunter auch die Erzählung von Leuten, die als Kinder von einem selbstgemachten Guckloch im Speicher aus die Geschehnisse des Lagers mitverfolgten, hatten uns alle sprachlos gemacht. Erst allmählich löste sich die Anspannung und es begann ein Gespräch, das schier kein Ende nehmen wollte. Dabei konnten die Fragen die allgemeine Sprachlosigkeit nur noch konkreter machen. Sie kreisten um das Schicksal der Opfer, den Umgang der Zeugen mit ihrem belastenden Wissen, Profile von Tätern, Möglichkeiten der Erinnerung, Versäumnisse der Aufarbeitung. Überall stieß man zuletzt auf etwas Unerklärliches. Deutlich wurde dabei die Unmöglichkeit von Pauschalisierungen, da vielmehr jeder Fall sein eigenes Gesicht hat. Auch im tiefsten Grauen konnte es immer noch zu überraschenden Menschlichkeiten kommen. Darum konnte Heimes den Rat mit auf den Weg geben, uns bei aller Macht- und Sprachlosigkeit doch an das zu halten, was trotzdem noch möglich bleibt.
Alban Rüttenauer
„Von christlicher Judenfeindschaft“
Ausstellung in der Citykirche Koblenz vom 28.10. – 10.11.2024, Jesuitenplatz, 56068 Koblenz
Die Christlich-Jüdische Gesellschaft Koblenz e.V. präsentiert in Kooperation mit dem Pastoralen Raum Koblenz und dem Evangelischen Kirchenkreis Koblenz eine zuerst in Berlin gezeigte Ausstellung.
In der Tradition christlicher Kunst wurden über eine lange Zeit judenfeindliche Bilder geschaffen. Abwertend und erniedrigend, polemisch und gehässig wurden üble Gerüchte und Narrative festgehalten auf Leinwand, gemeißelt in Stein, vervielfältigt und verbreitet in Flugschriften und Pamphleten, eine Spur von Leid und Blut hinter sich ziehend.
Im Zentrum steht dabei die christliche Judenfeindschaft des Mittelalters. Sie ist eine der Wurzeln des heute weltweit aufflammenden Antisemitismus, der alles Jüdische dämonisiert und sich auch in der Kunst, teils alte Motive aufgreifend, teils neue schaffend, widerspiegelt.
Sie sind mit Freunden und Bekannten herzlich eingeladen zum Betrachten der Exponate und zum Besuch des Begleitprogramms.
Alle Details finden Sie hier >>> PDF >>>
Neufassung der Satzung des Vereins und neuer Name
Das Verfahren der Neufassung der Satzung ist abgeschlossen. Damit geht ein intensiver Arbeitsprozess zu Ende, der mit der Mitgliederversammlung vom Februar 2023 begann. Dank sei allen gesagt, die sich mit inhaltlichen Anregungen und Formulierungsvorschlägen eingebracht und zum Gelingen des Vorhabens beigetragen haben!
Im Zuge der Neufassung der Satzung wurde der Vereinsname aus dem Jahr 1986 dem Sprachempfinden des 21. Jahrhunderts angepasst. Aus Gründen der Geschlechter-Gerechtigkeit ist der bisherige Name „Christlich-Jüdische Gesellschaft für Brüderlichkeit e.V. Koblenz“ aufgegeben. Der Name lautet jetzt „Christlich-Jüdische Gesellschaft Koblenz e.V.“.
(Dr. Wilma Rademacher-Braick)
Christlich-Jüdische Sommerfahrt nach Speyer
Die diesjährige Sommerfahrt führte in eine der SchUM-Städte, nach Speyer.
Zwei Stadtführerinnen begleiteten vom Dom aus je eine Gruppe, auf Deutsch- und auf Russisch, und informierten anschaulich über jüdisches Leben in Vergangenheit und Gegenwart. Ein Rundgang bot Einblicke in das Museum SchPira, ermöglichte ein Betreten der Mikwe und gab den Blick frei auf die Westmauer der mittelalterlichen Synagoge sowie die angrenzende Frauenschul. Ob eine eigene Schul für Frauen ein Ausdruck deren besonderer Wertschätzung oder aber das Gegenteil gewesen sei? Diese Frage blieb offen.
Entlang von Stolpersteinen ging es weiter zum Platz der Synagoge aus dem 19. Jahrhundert. Sie wurde in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 geplündert und in Brand gesetzt. 1955 errichtete man ein Kaufhaus auf dem Synagogengrundstück. Eindrucksvoll erinnert seit den neunziger Jahren ein Mahnmal an die jüdischen Opfer des Naziregimes in Speyer.
Der Stadtgang endete vor der neuen Synagoge „Beith-Shalom“ von 2011 (auf dem Grundstück der früheren Kirche St. Guido realisiert).
Nun sollte Zeit sein für eine mittägliche Erfrischung. Das seit langem erstmals schöne Wetter legte gnädig sommerliche Leichtigkeit über so manche Unbill, die sich im Weiteren ergab. Schließlich traf sich die Gruppe am Dom wieder, wo Dr. Paul Petzel über Geschichte und architektonische Besonderheiten des markanten Speyerer Doms informierte. Auch dieses das Stadtbild prägende christliche Gebäude bleibt in Erinnerung.
Die Sommerfahrt wurde gefördert durch das Bundesprogramm „Demokratie leben!“.
Vortrag von Dr. Martin Braun vom 13.05.2024:
„Jüdisch-christliches Erbe im Politikverständnis Hannah Arendts“
Dr. Braun hatte seinen Vortrag gut strukturiert und didaktisch gekonnt angelegt. Das zeigte sich auch an der sehr lebhaften Diskussion, die allein aus Zeitgründen ein Ende fand.
Arendt, so führte Dr. Braun aus, rückt die Politik ins Zentrum ihres Philosophierens. Ihren wegweisenden und hochaktuellen Politikbegriff gewinnt und entfaltet sie gerade auch in der intensiven Auseinandersetzung mit der jüdisch-christlichen Tradition.
Dr. Braun warf wichtige Schlaglichter auf Arendts Denken: zum Beispiel auf die Ableitung der Gleichheit und Verschiedenheit der Menschen (Plural) aus der Schöpfungserzählung in Genesis 1 – nicht nur als Grundvoraussetzung für Kommunikation, sondern auch als Basis für politisches Handeln.
Arendts Betonung des Begriffs „Natalität“ (Gebürtigkeit, Neuanfang) und nicht in erster Linie die der Mortalität (mit der sich Philosophie sonst sehr gerne beschäftigt) eröffnete auch einen ungewohnten Blick auf Wundergeschichten um Jesus, die von Neuanfängen erzählen.
Jede/r, der/die sich mit Arendt beschäftigt hat, hatte sicherlich unterschiedliche Erwartungen an den Vortrag. Den je eigenen Erwartungshorizont mit dem Vortrag des Referenten in Beziehung zu bringen und danach zu einer begründeten eigenen Position zu gelangen war eines der Kernanliegen von Dr. Braun. Hannah Arendt hätte das gefallen.
(Dr. Wilma Rademacher-Braick)
Auf den Spuren von Hans Bernd
Der Chor „Tapestry Chamber Choir“ mit Sängern und Sängerinnen aus den Gegenden von Gloucestershire und Worcestershire in Westengland auf Besuch in Koblenz vom 1. bis 4. April, auf den Spuren von Hans Bernd, einem vertriebenen jüdischen Mitbürger aus Koblenz
In diesen Tagen hört man öfters wiederholen, dass Zeitzeugen der Schoah selten werden, sich einer nach der anderen von uns verabschiedet. Unsere Gesellschaft spürt es daran, dass der so lange jährlich durchgeführte Heimatbesuch sich nicht mehr in der gewohnten Weise aufrecht erhalten lässt. Um so eindrücklicher ist es, mit seiner nachhaltigen Wirkung in Berührung zu kommen. Dazu gab dieser Chor aus England Gelegenheit, der Anfang April zu Besuch kam. Simon Burne, Ehemann der Chorleitern Sandra Burne, ist der Sohn von dem Koblenzer Hans Bernd, der dank eines Kindertransports als junger Mensch der Schoah entkommen konnte. Er folgte im Jahr 2004 der offiziellen Einladung zum Heimatbesuch und sagte seinem Sohn im Anschluss: jetzt fühle er sich endlich wieder so ganz als richtiger Koblenzer. Eine Reihe von Vorfahren liegen auf dem Koblenzer Friedhof begraben.
Der Chor nutzte die Gelegenheit zu Auftritten in Koblenz (St. Castor), Boppard und Köln. Wer selber in ehrenamtlichen Chören mitgewirkt hat oder noch mitwirkt, besitzt eine ungefähre Vorstellung davon, wie lange es braucht, um ein festes Repertoire zu entwickeln. Um so erstaunlicher, wenn dieses so umfangreich ist, dass man ein eigenes Konzert ohne zusätzliche Gäste damit bestreiten kann. Dabei war das Programm so vielfältig mit Formen und Epochen, dass der Chor seinem Namen Tapestry (Wandteppich) Chamber Choir alle Ehre erwiesen hat. Es reichte von Monteverdi bis hin zu den englischsprachigen Klassikern der neueren Zeit wie Stanford, Holst und Williams. Die Moderierung des Konzerts durch die Bürgermeisterin Ulrike Mohrs gab dem Ereignis den ihm gebührenden Stellenwert. Simon Burne nahm die Gelegenheit wahr, in einer Zwischenpause seine bewegende Familiengeschichte auf Deutsch zu erzählen.
Am letzten Abend gab es eine Begegnung mit der jüdischen Kultusgemeinde, bei ebenfalls einem kleinen musikalischen Programm zu Beginn. Da wurden die Stücke allzu christlichen Inhalts herausgenommen, dafür aber durch Klezmer-Musik mit dem Trio der Familie Burne passend ergänzt. Der deutsche Besucher, die deutsche Zuhörerin, die sich vielleicht mit Englisch und Latein bis dahin schwer getan hatten, konnten sich bei den Jiddischen, auch zum Mitsingen geeigneten Texten plötzlich wie zu Hause fühlen.
Die Begegnung wird bei uns noch lange nachhallen, hoffentlich auch bei den inzwischen heimgekehrten Chorsänger:innen aus England.
(Alban Rüttenauer)
Abend mit dem hessischen Liedermacher Jürgen Poth
„Jüdische Nachbarn – Rede‘ mer mal Tacheles!“, 10. März 2024
Ein erfreulich großes Auditorium fand sich am Sonntagnachmittag in der Evangelischen Versöhnungskirche in Koblenz-Arenberg ein. Über hundert Gästen bot Jürgen Poth mit Geschichten und Liedern ein anderthalbstündiges Programm, das unter die Haut ging. In der Pause kam so manches Gespräch zustande.
Entlang eines Zeitstrahles bewegte sich Jürgen Poth musikalisch aus der Gegenwart in die Vergangenheit. Schwerpunkte waren verschiedene Facetten jüdischen Lebens, die er in der Anmoderation der Lieder verwob. Aktuelle Ereignisse waren nicht ausgeklammert, sondern luden dazu ein, die Erinnerung einzuordnen und sich der Verantwortung für Gegenwart und Zukunft bewusst zu werden.
Jürgen Poth traf eine emotional ansprechende Auswahl an Liedern, welche die Nachbarschaft in der Region Koblenz in guten wie in furchtbaren Tagen eindrücklich beschrieb. Ein Plakat zur Veranstaltung finden Sie hier >>>
Das Konzert der Christlich-Jüdischen Gesellschaft Koblenz und der Evangelischen Kirchengemeinde Koblenz-Pfaffendorf war ein in jeder Hinsicht gelungenes Kooperationsprojekt, das als Ganzes und auch mit einzelnen Beiträgen in Erinnerung bleiben wird. So klingt zum Beispiel die Vertonung von Ilse Webers Text aus dem Jahr 1944 „Ich wandre durch Theresienstadt“ intensiv nach.
(Dr. Wilma Rademacher-Braick)
Mitgliederversammlung vom 19. Februar 2024
Mitgliederversammlung vom 19. Februar 2024 im Gemeindesaal der Jüdischen Kultusgemeinde und anschließende Lesung literarischer Texte
Die diesjährige Mitgliederversammlung erfreute sich eines besonders regen Zuspruchs. Bei den Wahlen für folgende Vorstandspositionen
- Vorsitzende/r
- 1. Stellvertreter/in
- Weiteres Vorstandsmitglied
- Weiteres Vorstandsmitglied
wurden alle bisherigen Amtsinhaber wiedergewählt.
(Die Wahl der 2. Stellvertreterin / des 2. Stellvertreters, zugleich Geschäftsführer / -führerin steht im Jahr 2024 turnusmäßig nicht an.)
Im Anschluss an die Mitgliederversammlung begab sich Dr. Christoph Münz mit den Anwesenden auf eine literarische Spurensuche. Er spannte, ausgehend von einem Text von Charlotte Delbo, einen Bogen von der Deportation von Menschen unter den Nationalsozialisten über Texte von Hilde Domin, Max Frisch, Yehuda Amichai, Emanuel Hurwitz bis hin zu Hanns Dieter Hüsch (gest. 2005). „Gründe und Abgründe im Gespräch zwischen Christen und Juden“ wurden auf beklemmende und bisweilen auf humorvolle Weise benannt.
(Wilma Rademacher-Braick)
Bundesweiter „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“ am 27. Januar 2024
Auch in Koblenz und der Umgebung fanden am 27. Januar 2024 bzw. kurz danach Veranstaltungen zur Erinnerung an das Schicksal der Opfer der Nazi-Diktatur statt, zum Beispiel in Andernach, Kobern-Gondorf, Koblenz und Münstermaifeld. Deutlicher als in den Jahren zuvor entstand ein Gegenwartsbezug.
opfer von gestern.
öffnen heute die augen.
rufen zum handeln.
Der Förderverein Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus in Koblenz, die Stadt Koblenz, die Christlich-Jüdische Gesellschaft für Brüderlichkeit e. V. Koblenz und der Freundschaftskreis Koblenz-Petah Tikva gestalteten in Koblenz das Gedenken traditionell gemeinsam.
Schülerinnen und Schüler zweier Koblenzer Schulen zeigten durch ihr Engagement, dass Gedenken an die Gräuel der NS-Zeit nicht nur den Blick der Zeitzeug:innen und deren indessen in die Jahre gekommenen Kinder auf die Gegenwart schärft. Junge Menschen machten deutlich, dass sie im Bewusstsein der Vergangenheit das „Nie wieder!“ gestalten wollen.
Die Ernsthaftigkeit, mit der junge Menschen sich dieser Herausforderung stellen, wurde auch bei einer Gedenkveranstaltung in der Realschule plus Untermosel deutlich. Dort wurde unter anderem ein interaktives Sprechstück aufgeführt.
(Wilma Rademacher-Braick)
„Ein neues G‘tteshaus in Koblenz“
Vortrag des Architekten Wolfgang Lorch am Montag, 20. November 2023, im Klangraum des bischöflichen Cusanus-Gymnasiums
Ein neues Gebäude in Planung in und für Koblenz: ein G‘tteshaus, eine Synagoge oder, hebräisch gesagt, ein „bet knesset“ – ein Versammlungshaus. Ein Gebäude soll es sein, das Erinnerungen an vorangegangene Einrichtungen mit einschließt, und doch zugleich den bewussten Willen zeigt, nach dem Bruch mit einer abgerissenen und zerstörten Vergangenheit etwas ganz Neues zu beginnen.
Wolfgang Lorch hat sich als beauftragter Architekt im Laufe unterschiedlicher Projekte tief eingearbeitet in Selbstverständnis und Formensprache jüdischer G‘tteshäuser. Unterstützt von seinem Juniorpartner Thomas Wach stellte er seine Idee für Koblenz vor:
Ein Gebäude im Innern der Stadt wie der Gesellschaft, nach innen zusammenhaltend, identitätstiftend, nach oben transzendenzatmend, nach außen freundlich und einladend: ein Gebäude „offen und sicher“.
Die ersten Schritte sind getan, hinter die es so ohne weiteres kein Zurück mehr gibt. Doch vor dem letzten Ziel liegt noch manche Hürde, dies des Wohlwollens zuständiger Behörden wie der Ermutigung anteilnehmender Mitmenschen bedarf. Versuchen wir mit unserem Wohlwollen, unserer Anteilnahme möglichst Viele mitzunehmen!
gez. Alban Rüttenauer
Gedenkveranstaltung am 12. November 2023
für die Opfer der Pogromnacht 1938 und die Opfer vom und nach dem 7. Oktober 2023
Das Programm finden Sie hier.
Gedenkstunde.
Schwarze Anzüge.
Keine schnellen Worte.
Lernfähigkeit und Hörbereitschaft erwachen.
Bleibend?
(Wilma Rademacher-Braick)
Gedenkgang durch Koblenz am 9. November 2023
Die Wegstrecke finden Sie hier abgebildet.
85 Jahre nach dem 9. November 1938.
33 Tage nach dem 7. Oktober 2023.
Schweigendes Gehen zu Häusern von jüdischen Menschen.
85 Jahre nach dem 9. November 1938.
Kerzen für die Geschundenen. Blaulicht. Ein Funken Hoffnung.
Vergangenheit! Gegenwart! Zukunft?
85 Jahre nach dem 9. November 1938.
33 Tage nach dem 7. Oktober 2023.
(Wilma Rademacher-Braick)
Nach dem 7. Oktober 2023
Mehr als Worte sagen können, sind wir erschrocken über die gewaltsamen Ereignisse in Israel und denken an die vielen unschuldigen Opfer mit so vielen Kindern darunter. Wir spüren unsere ganze Ohnmacht, aber auch den Wunsch, unsere Solidarität zu zeigen und uns zugleich an die Seite unserer auch um ihre Sicherheit bangenden jüdischen Mitbürger:innen zu stellen.
(Alban Rüttenauer)
Vortrag „Die Erben der Arisierung“
Der entsetzliche Zusammenhang von Rassendiskriminierung und wirtschaftlichem Profit – Der Vortrag „Die Erben der Arisierung“ von Armin H. Flesch, eine Kooperationsveranstaltung der CJG Koblenz und des Evangelischen Erwachsenen Bildungswerks Süd (Montag 4. Sept.)
Bei strahlendem Abendsonnenschein, der vielleicht manch einen oder eine zu anderweitiger Beschäftigung überredete, hielt der freie Autor und Journalist Armin H. Flesch in der Aula von Haus Wasserburg in Vallendar eine erlesene und interessierte Zuhörerschaft von gut 20 Personen mit einem annähernd dreistündigen Vortrag in Atem.
Bei der allgemeinen Einführung ins Thema wurde in bedrückender Weise die zwingende Logik der dahinterstehenden Strategie deutlich: Die Partei gewann unter den Gewinnern dieses „Diebstahls“ rasch eine abhängige Gefolgschaft, auf lange Sicht wurde die gesamte Kriegsmaschine damit am Laufen gehalten. Der Lohn der Soldaten war bis Kriegsende ausreichend, um eine Familie damit zu ernähren, sehr im Unterschied zur Situation des ersten Weltkriegs: alles wichtige Einzelheiten, die weit über das im gewöhnlichen Geschichtsunterricht Behandelte hinausgehen. Um den Schein der Legalität aufrecht zu erhalten, genügte es, eine gefügige Bank unter Druck zu setzen, die Fortsetzung eines Kredits zu verweigern. Wirklich entsetzlich aber wurde es, wenn die einmal in Gang gesetzte Gewinngier so weit getrieben wurde, die ermordeten KZ-Häftlinge auch ihrer Goldzähne und Haare zu berauben (für Filz und Perücken). Aber auch im Kleineren wurde die Gesamtbevölkerung durch die oft nur zu dankbar angenommene Versteigerung jüdischen Besitzes in das Geschehen mitverstrickt.
Beschämend zeigt sich dann oft die Aufarbeitung in der jungen BRD, wenn die Geschädigten und deren Nachfahren um eine angemessene Entschädigung betrogen werden, während mancher damalige Drahtzieher, neu zu Ehren gekommen, sogar mit dem Bundesverdienstkreuz (wahrscheinlich für zweifelhafte Beraterdienste!) ausgezeichnet wird. Noch immer fällt es manchem heutigen Firmenbesitzer schwer, die Namen der ursprünglichen Firmengründer auf ihrer Homepage zu erwähnen. Doch auch wenn sie sich, nach Nachfragen oder äußerem Druck, dazu entscheiden, wird immer noch das bei der „Übergabe“ geschehene Unrecht verschwiegen. Dabei bräuchte sich heute, wo diese Dinge längst verjährt sind, Niemand etwas dabei zu vergeben. Im Gegenteil, sollte es nicht eine Empfehlung für die Ehrlichkeit und Ernsthaftigkeit eines Unternehmens sein, wenn auch mit der vergangenen Geschichte in ehrlicher und verantwortlicher Weise umgegangen wird?
Sollte die Spirale einer stufenweise Entrechtung, Ausgrenzung und Entwürdigung nicht auch einmal in eine eine solche der gemeinsamen Verantwortung füreinander umgewandelt werden? Da liegt offensichtlich immer noch einiges vor uns!
gez. Alban Rüttenauer
Sommerfahrt 2023 nach Köln
Köln ist eine Reise wert. Die diesjährige Sommerfahrt führte dorthin: „natürlich“ in die Synagoge, Roonstraße, wo wir über die Geschichte der Gemeinde und ihre lebendige Gegenwart informiert wurden.
Das markante Gebäude wurde nach der Shoah vom selben Architekten wiedererrichtet, der auch die derzeitige Koblenzer Synagoge entworfen hat: Helmut Goldberg, mit Dr. Heinz Kahn Überlebender von Auschwitz und Buchenwald.
Nach einem Imbiss im „Veddel“ ging es zur St. Andreas-Kirche des Dominikanerklosters im Zentrum. Sie ist einer der ganz, ganz wenigen christlichen Orte, an denen der Makkabäer gedacht wird (und das seit im 12. Jh.). Gebeine waren zusammen mit Reliquien der Heiligen Drei Könige von Mailand nach Köln gebracht worden.
Die Makkabäer waren Freiheitskämpfer gegen die Besatzungsmacht der Seleukiden im 2. Jh. Vor unserer Zeitrechnung. Nach liberalen Anfängen hatten letztere schließlich alles unter Todesstrafe gestellt, was jüdische Identität mit ausmacht: Beschneidung, Sabbat, Feste.
Als der Tempel wieder von Götzenbildern befreit und gereinigt war, fand sich noch koscheres Öl für einen Tag. Es brannte acht Tage, lange genug, um Öl für die Zukunft vorzubereiten. Channuka erinnert jährlich daran, in St. Andreas tut das eine Menora hinter dem Reliquienschrein.
Weltweit einzigartig dürften die neoexpressiven farbintensiven Fenster von 2007 sein, die der mittlerweile alt gewordene „Neue Wilde“ Markus Lüpertz entworfen hat, Koblenzern und Koblenzerinnen bekannt von seinem St. Martin im Evangelischen Stift St. Martin.
Nach Kaffee und Kuchen oder privatem Dombesuch – mit einem informativen Paper von Elisabeth Weiler in der Hand – ging es, sicher chauffiert, rheinaufwärts nach Hause.
(Dr. Paul Petzel; Fotos: Christoph Simonis)