Hinweis
Hier kann man Berichte über Veranstaltungen und Ereignisse früherer Jahre lesen. Die Berichte über Veranstaltungen der zurückliegenden Monate finden sich auf der STARTSEITE.
Berichte vom Jahr 2023
Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus am 27.01.2023
Am 27. Januar und um diesen Tag herum gedachte unsere Gesellschaft mit anderen Koblenzer Vereinen und der Stadtöffentlichkeit der Opfer des Nationalsozialismus in Koblenz und der Region.
Beim Innehalten an der Statio am Mahnmal auf dem Reichenspergerplatz wurden Namen von Opfern verlesen. Schülerinnen und Schüler brachten deren Biografien und als Zeichen der Trauer weiße Rosen am Mahnmal an. Andreas Stickel gab dem Unsagbaren mit der Trompete Raum. Danach zündeten die Anwesenden Lichter für die Ermordeten an.
Anschließend fand eine Gedenkfeier mit christlich-jüdischem Gebet in der Koblenzer Citykirche statt. Alle konnten sich in der Kirche auch der Ausstellung "'Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch' - Vor 90 Jahren: Machtübernahme und frühe Opfer der Nazis in Koblenz" stellen.
Studierende der Universität Koblenz hatten für den Kirchenraum eine besondere Installation, "Raum der Namen", entwickelt. Durch die Einbettung von Namen in eine Licht- und Geräuschkulisse wurde erlebbar gemacht, dass sich das Leid der Opfer nicht bildlich fassen lässt.
(Dr. Wilma Rademacher-Braick)
Harald Orth, sein Buch über Hannelore Hermann, das Cusanus-Gymnasium und die Vorzüge mangelnder Ortskunde
6. März 2023
Ortsunkenntnis kann zuweilen von Vorteil sein oder, sagen wir, für überraschende Zufälle sorgen. Nachdem ich auf der Mainzerstraße geparkt hatte und mich verzweifelt auf die Suche nach der mir bisher nur dem Namen nach bekannten Cusanus-Schule begab, bog ich unter anderen in die Johannes-Müller-Straße ein, die ich mir für den Rückweg gut zu merken versuchte. Wie erstaunt war ich, beim anschließenden Vortrag zu erfahren, genau auf diese Weise einige der Lebensstationen der jüdischen Familie Hermann nachgegangen zu sein. Wie wurden für mich Orte mit einem Mal lebendig, die ich bis eben nur durch Zufall kannte!
Noch manche andere Orte ließ der Vortrag zu neuem Leben erwachen. So erfahren wir von einer Jugendgruppe, die sich im Garten hinter der damaligen Synagoge getroffen hat, und spüren gleich den Wunsch, dass auch diese alte Synagoge im Bürresheimer Hof, wenn der Bau der neuen hoffentlich rasch vonstatten geht, nicht so schnell vergessen werde. Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums ließen mit wechselnden Stimmen das Lebensbild der Hermanns lebendig werden, indem sie Abschnitte aus dem Buch vorlasen, wie es Harald Orth nach vorausgegangenen Arbeiten von Elmar Ries und Helene Thill (ehemalige Vorstandsmitglieder der CJG, wahrscheinlich angeregt durch den Heimatbesuch von Kurt Hermann), ergänzt durch weitere Einsichten ins Stadtarchiv, zusammengestellt hat. Er hat sein Buch mit dem Titel „Wir lachten oft und gern“ (nach einem Briefzitat) so entworfen, dass es parallel zum Schicksal dieser Einzelfamilie auch die schrittweise, aber systematisch vorgehende Vernichtungsstrategie der Nazis beispielhaft beschreibt und nachzeichnet und damit einen unschätzbaren „pädagogischen“ Zweck erfüllt. Durch Nachfragen aus dem Publikum erfahren wir später, wie es den Machthabern u.a. durch ein Heer von Spitzeln gelang, die anfangs nicht als Nazihochburg angelegte Stadt Koblenz unter völlige Kontrolle zu bekommen. Ebenso kommen aber auch die verschiedenen Maßnahmen auf der jüdischen Gegenseite zu Wort, die verschiedenen jüdischen Zusammenschlüsse, oft zionistischer Prägung, mit ihren jeweiligen Treffpunkten im Koblenzer Raum. Deren Ideen und Atmosphäre konnten mit ihren Zukunftshoffnungen in den durch den Klarinettisten Walter Oswald-Wambach eingestreuten, aus der jüdischen Musiktradition geschöpften Stücken gut nachklingen.
Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand und steht aber stellvertretend für so viele Opfer die Hannelore als jüngstes, aber geistig waches und frühreifes Kind der Familie, das so erwartungsvoll ins Leben schaute und das doch zusammen mit ihren Eltern der Deportation zum Opfer fiel, während ihre älteren Geschwister derselben durch rechtzeitige Auswanderung entkommen, dadurch aber auch den Briefwechsel erhalten konnten. In der Deportation verliert sich ihre Spur im völligen Dunkel. Mögen ihre Lebensspuren in Koblenz umso lebendiger bewahrt bleiben!
Alban Rüttenauer
Verleihung des Paul-Eisenkopfpreises am 18. Juni 2023
Gedanken und Impressionen
Freude und Aufregung waren dem Preisträger Dr. Michael Aranovski und seiner Ehefrau Anna förmlich ins Gesicht geschrieben, als sie in wenigen ergreifenden Worten ihre Dankbarkeit gegenüber der Versammlung zum Ausdruck brachten, nachdem die Kulturdezernentin der Stadt, Frau Dr. Margit Theis-Scholz, sowie der Vorsitzende der CJG die Urkunde überreicht hatten.
Der erste Teil eines denkwürdigen Tages (Zum Programm >>> PDF) fand damit in dem denkwürdigen Raum des historischen Rathaussaales von Koblenz seinen Abschluss.
Der Paul-Eisenkopf-Preis konnte nach langer Unterbrechung wieder vergeben werden und das im zwanzigsten Jahr nach dem zu frühen Tod des Pallottinerpaters Paul Eisenkopf und im dreißigsten nach der Einreise des Ehepaars Aranovski nach Deutschland. Die glänzende Musik des Duos Yoel Cantori und Benoit Gagnon, die die klanglichen Möglichkeiten des Cellos ausschöpfte und für den Preisträger die Erinnerung an einen befreundeten Cellisten beschwor, eine Reihe von Grußworten, die sich wunderbar ergänzten sowie die Laudatio von Herrn Rien van der Vegt, der als Vorstandsmitglied des Dachverbandes DKR auch dessen Grüße übermitteln konnte, kennzeichneten die Veranstaltung am Sonntag Nachmittag. Dank einer ausgeklügelten Organisation wusste Jeder und Jede um den eigenen Platz und kam auch mit Kaffee und Gebäck nicht zu kurz.
Die Laudatio lies die Stationen und Wechselfälle eines belebten Lebens in allen Facetten lebendig werden: Überleben der deutschen Invasion im 2. Weltkrieg mitsamt der Blockade von Leningrad, Demütigungen und Zurücksetzungen durch sowjetischen Antisemitismus, familiäres Glück und Zuflucht in Deutschland als Kontingentflüchtling …
Dem stellte der Preisträger mit seinem Verhalten als Gegengewicht entgegen: das stille und freundliche Auftreten, den selbstlosen ehrenamtlichen Einsatz auf vielen Gebieten, den Brückenschlag für die Jüdische Gemeinde nach außen, viele Veranstaltungen vor allem für Kinder zum Ansporn ihrer kreativen Kräfte (z.B. durch Malen am Rhein, nach den Worten des Laudators für sich allein schon eines Preises würdig).
Ihre Fortsetzung fand das Ereignis noch abends in dem Konzert des Streichtrios, das Verwandte und Freunde des Preisträgers im Gemeindesaal der JKG ausrichteten und die Hörer:innen zu einer wunderbar farbigen musikalischen Weltreise entführte. Neben deutsch-österreichischen (Schubert) und polnischen (Lutoslawski) waren auch amerikanische, ukrainische (Glier) und grusinische Klänge zu hören, teilweise untermischt mit Anklängen an jüdische Volksweisen.
Möge sich das Preisträger-Ehepaar noch lange von der Welle der Sympathie und des Wohlwollens getragen fühlen können und mögen in allen Anteilnehmenden Vorsätze und Hoffnungen des Friedens gestärkt worden sein!
gez. Alban Rüttenauer
Sommerfahrt 2023 nach Köln
Köln ist eine Reise wert. Die diesjährige Sommerfahrt führte dorthin: „natürlich“ in die Synagoge, Roonstraße, wo wir über die Geschichte der Gemeinde und ihre lebendige Gegenwart informiert wurden.
Das markante Gebäude wurde nach der Shoah vom selben Architekten wiedererrichtet, der auch die derzeitige Koblenzer Synagoge entworfen hat: Helmut Goldberg, mit Dr. Heinz Kahn Überlebender von Auschwitz und Buchenwald.
Nach einem Imbiss im „Veddel“ ging es zur St. Andreas-Kirche des Dominikanerklosters im Zentrum. Sie ist einer der ganz, ganz wenigen christlichen Orte, an denen der Makkabäer gedacht wird (und das seit im 12. Jh.). Gebeine waren zusammen mit Reliquien der Heiligen Drei Könige von Mailand nach Köln gebracht worden.
Die Makkabäer waren Freiheitskämpfer gegen die Besatzungsmacht der Seleukiden im 2. Jh. Vor unserer Zeitrechnung. Nach liberalen Anfängen hatten letztere schließlich alles unter Todesstrafe gestellt, was jüdische Identität mit ausmacht: Beschneidung, Sabbat, Feste.
Als der Tempel wieder von Götzenbildern befreit und gereinigt war, fand sich noch koscheres Öl für einen Tag. Es brannte acht Tage, lange genug, um Öl für die Zukunft vorzubereiten. Channuka erinnert jährlich daran, in St. Andreas tut das eine Menora hinter dem Reliquienschrein.
Weltweit einzigartig dürften die neoexpressiven farbintensiven Fenster von 2007 sein, die der mittlerweile alt gewordene „Neue Wilde“ Markus Lüpertz entworfen hat, Koblenzern und Koblenzerinnen bekannt von seinem St. Martin im Evangelischen Stift St. Martin.
Nach Kaffee und Kuchen oder privatem Dombesuch – mit einem informativen Paper von Elisabeth Weiler in der Hand – ging es, sicher chauffiert, rheinaufwärts nach Hause.
(Dr. Paul Petzel; Fotos: Christoph Simonis)
Vortrag „Die Erben der Arisierung“
Der entsetzliche Zusammenhang von Rassendiskriminierung und wirtschaftlichem Profit – Der Vortrag „Die Erben der Arisierung“ von Armin H. Flesch, eine Kooperationsveranstaltung der CJG Koblenz und des Evangelischen Erwachsenen Bildungswerks Süd (Montag 4. Sept.)
Bei strahlendem Abendsonnenschein, der vielleicht manch einen oder eine zu anderweitiger Beschäftigung überredete, hielt der freie Autor und Journalist Armin H. Flesch in der Aula von Haus Wasserburg in Vallendar eine erlesene und interessierte Zuhörerschaft von gut 20 Personen mit einem annähernd dreistündigen Vortrag in Atem.
Bei der allgemeinen Einführung ins Thema wurde in bedrückender Weise die zwingende Logik der dahinterstehenden Strategie deutlich: Die Partei gewann unter den Gewinnern dieses „Diebstahls“ rasch eine abhängige Gefolgschaft, auf lange Sicht wurde die gesamte Kriegsmaschine damit am Laufen gehalten. Der Lohn der Soldaten war bis Kriegsende ausreichend, um eine Familie damit zu ernähren, sehr im Unterschied zur Situation des ersten Weltkriegs: alles wichtige Einzelheiten, die weit über das im gewöhnlichen Geschichtsunterricht Behandelte hinausgehen. Um den Schein der Legalität aufrecht zu erhalten, genügte es, eine gefügige Bank unter Druck zu setzen, die Fortsetzung eines Kredits zu verweigern. Wirklich entsetzlich aber wurde es, wenn die einmal in Gang gesetzte Gewinngier so weit getrieben wurde, die ermordeten KZ-Häftlinge auch ihrer Goldzähne und Haare zu berauben (für Filz und Perücken). Aber auch im Kleineren wurde die Gesamtbevölkerung durch die oft nur zu dankbar angenommene Versteigerung jüdischen Besitzes in das Geschehen mitverstrickt.
Beschämend zeigt sich dann oft die Aufarbeitung in der jungen BRD, wenn die Geschädigten und deren Nachfahren um eine angemessene Entschädigung betrogen werden, während mancher damalige Drahtzieher, neu zu Ehren gekommen, sogar mit dem Bundesverdienstkreuz (wahrscheinlich für zweifelhafte Beraterdienste!) ausgezeichnet wird. Noch immer fällt es manchem heutigen Firmenbesitzer schwer, die Namen der ursprünglichen Firmengründer auf ihrer Homepage zu erwähnen. Doch auch wenn sie sich, nach Nachfragen oder äußerem Druck, dazu entscheiden, wird immer noch das bei der „Übergabe“ geschehene Unrecht verschwiegen. Dabei bräuchte sich heute, wo diese Dinge längst verjährt sind, Niemand etwas dabei zu vergeben. Im Gegenteil, sollte es nicht eine Empfehlung für die Ehrlichkeit und Ernsthaftigkeit eines Unternehmens sein, wenn auch mit der vergangenen Geschichte in ehrlicher und verantwortlicher Weise umgegangen wird?
Sollte die Spirale einer stufenweise Entrechtung, Ausgrenzung und Entwürdigung nicht auch einmal in eine eine solche der gemeinsamen Verantwortung füreinander umgewandelt werden? Da liegt offensichtlich immer noch einiges vor uns!
gez. Alban Rüttenauer
Nach dem 7. Oktober 2023
Mehr als Worte sagen können, sind wir erschrocken über die gewaltsamen Ereignisse in Israel und denken an die vielen unschuldigen Opfer mit so vielen Kindern darunter. Wir spüren unsere ganze Ohnmacht, aber auch den Wunsch, unsere Solidarität zu zeigen und uns zugleich an die Seite unserer auch um ihre Sicherheit bangenden jüdischen Mitbürger:innen zu stellen.
(Alban Rüttenauer)
Gedenkveranstaltung am 12. November 2023
für die Opfer der Pogromnacht 1938 und die Opfer vom und nach dem 7. Oktober 2023
Das Programm finden Sie hier.
Gedenkstunde.
Schwarze Anzüge.
Keine schnellen Worte.
Lernfähigkeit und Hörbereitschaft erwachen.
Bleibend?
(Wilma Rademacher-Braick)
Gedenkgang durch Koblenz am 9. November 2023
Die Wegstrecke finden Sie hier abgebildet.
85 Jahre nach dem 9. November 1938.
33 Tage nach dem 7. Oktober 2023.
Schweigendes Gehen zu Häusern von jüdischen Menschen.
85 Jahre nach dem 9. November 1938.
Kerzen für die Geschundenen. Blaulicht. Ein Funken Hoffnung.
Vergangenheit! Gegenwart! Zukunft?
85 Jahre nach dem 9. November 1938.
33 Tage nach dem 7. Oktober 2023.
(Wilma Rademacher-Braick)
„Ein neues G‘tteshaus in Koblenz“
Vortrag des Architekten Wolfgang Lorch am Montag, 20. November 2023, im Klangraum des bischöflichen Cusanus-Gymnasiums
Ein neues Gebäude in Planung in und für Koblenz: ein G‘tteshaus, eine Synagoge oder, hebräisch gesagt, ein „bet knesset“ – ein Versammlungshaus. Ein Gebäude soll es sein, das Erinnerungen an vorangegangene Einrichtungen mit einschließt, und doch zugleich den bewussten Willen zeigt, nach dem Bruch mit einer abgerissenen und zerstörten Vergangenheit etwas ganz Neues zu beginnen.
Wolfgang Lorch hat sich als beauftragter Architekt im Laufe unterschiedlicher Projekte tief eingearbeitet in Selbstverständnis und Formensprache jüdischer G‘tteshäuser. Unterstützt von seinem Juniorpartner Thomas Wach stellte er seine Idee für Koblenz vor:
Ein Gebäude im Innern der Stadt wie der Gesellschaft, nach innen zusammenhaltend, identitätstiftend, nach oben transzendenzatmend, nach außen freundlich und einladend: ein Gebäude „offen und sicher“.
Die ersten Schritte sind getan, hinter die es so ohne weiteres kein Zurück mehr gibt. Doch vor dem letzten Ziel liegt noch manche Hürde, dies des Wohlwollens zuständiger Behörden wie der Ermutigung anteilnehmender Mitmenschen bedarf. Versuchen wir mit unserem Wohlwollen, unserer Anteilnahme möglichst Viele mitzunehmen!
gez. Alban Rüttenauer
Berichte vom Jahr 2022
Vortrag zum Gedenken an Pinchas Lapide
Am 28. November wäre Pinchas Lapide 100 Jahre alt geworden, wenn er nicht vor 25 Jahren verstorben wäre.
Gleichzeitig hält noch die Trauer über seine fast genau vor einem Monat verstorbene Ehefrau Ruth Lapide an. Yuval Lapide, der Sohn von Pinchas und Ruth Lapide, der sich selbst im Anschluss an seinen Vater als Brückenbauer im religiösen Dialog versteht, hat zu Ehren seines Vaters eine Blütenlese zentraler Texte unter dem Titel „Wer predigte in ihren Synagogen“ veröffentlicht.
Am 22. November hielt er dazu einen Online-Vortrag, der vom Evangelischen Erwachsenenbildungswerk Rheinland-Süd e.V. und der Christlich-Jüdischen Gesellschaft gemeinsam organisiert wurde. Die am Vortrag Teilnehmenden erhielten ungewohnte Einblicke in die persönlichen Beweggründe, die Pinchas Lapide in den siebziger Jahren dazu bewogen, von Israel aus, das ihm vor der Schoah Zuflucht gewährte, mit seiner Familie (Ruth und Yuval) nach Deutschland zu gehen, von dem das Grauen damals ausgegangen war, und in Frankfurt dauerhaft sesshaft zu werden. Der ursprünglich aus Wien stammende Pinchas Lapide, so führte Yuval Lapide aus, war durch seine Lehrmeister bestens auf eine solche Herausforderung vorbereitet. Vor allem aber spürte er intuitiv die Gunst der Stunde heraus. Die Gesellschaft der Bundesrepublik wurde überkommenen christlichen Anschauungen gegenüber immer misstrauischer und zeigte sich sehr aufgeschlossen für das, was Lapide als Rehebraisierung des NT und der christlichen Theologie bezeichnet hat, die Rückführung der christlichen Botschaft auf ihre hebräischen und damit jüdischen Wurzeln, für das christliche Selbstverständnis mehr von Nutzen als von Schaden.
Manches konnte den Teilnehmenden bis hierhin noch ein wenig abstrakt erscheinen. Ein konkretes Beispiel musste her. Das „Vater Unser“ als Gebet eines Juden im jüdischen Glauben gebetet, den Christen als Gemeinschaftsgebet hinterlassen, bot sich als geeigneter Beispieltext für eine Probe aufs Exempel an. In einer bereinigten Fassung gebetet, die sich am zu rekonstruierenden hebräischen Text orientiert, indem sie zu viel Konjunktiv vermeidet und die Bitte um Schutz vor Versuchung richtig versteht, hält Yuval Lapide im Anschluss an seinen Vater dies durchaus für ein Gebet, das Juden und Christen miteinander beten könnten. Das auf Bitte von Teilnehmenden von Yuval Lapide auf Hebräisch vorgetragene „Vater Unser - Awinu“ bildete den sehr passenden Abschluss dieses mehr im Dialog gehaltenen engagierten Vortrags.
(Alban Rüttenauer)
Pogromgedenken am Sonntag, dem 13.11.2022
Das diesjährige Gedenken an die Pogrome vom November 1938 fand erstmals unter aktiver Mitwirkung von Vertretern aller drei abrahamitischen Religionen statt.
Imam Asim Jelovac (Islamische Gemeinschaft der Bosniaken Koblenz e.V.) und Superintendent Rolf Stahl (Evangelischer Kirchenkreis Koblenz) hielten zusammen eine Ansprache. Ihre Geste, der Jüdischen Kultusgemeinde nach einer kürzlich erfolgten gemeinsamen Reise eine Kopie der ‚Sarajevo Haggadah‘ zu überreichen, war als Zeichen von Brüderlichkeit berührend. „Die ‚Sarajevo Haggadah‘ ist, so Rolf Stahl, „sephardischen Ursprungs und entspricht in ihrem Inhalt den üblichen Festbüchlein zum Seder-Abend von Pesach.“
Landesrabbiner David Schwezoff und Vertreter der hiesigen Jüdischen Kultusgemeinde gaben den freien Wortbeiträgen mit Worten aus Psalmen und mit Gebeten den gebührenden Rahmen.
Das Programm, in dem auch der Hausherr der Jüdischen Kultusgemeinde, Avadislav Avadiev, und der Vorsitzende der CJG, Prof. Dr. Alban Rüttenauer SAC, einleitend zu Wort kamen, finden Sie hier >>>
Im Anschluss an die Gedenkfeier legte Oberbürgermeister David Langner einen Kranz am Mahnmal auf dem jüdischen Friedhof nieder. Zuvor hatte er in der Gedenkstunde alle Anwesenden daran erinnert, dass die Worte „Nie wieder darf so etwas wie die Pogromnacht geschehen!“ nur dann Realität werden, wenn jede und jeder am eigenen Platz dafür Sorge trägt.
Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung virtuos durch die beiden Nachwuchskünstler:innen Elena Salzwedel, Violine, und Floris Kurth, Violoncello, am Klavier begleitet von Karl Heinz Lindemann.
Gastfreundlich hatte die Jüdische Kultusgemeinde im Anschluss an den offiziellen Akt zu einem Imbiss und zu Getränken eingeladen. Auch diese Geste ist der besonderen Erwähnung wert.
(Dr. Wilma Rademacher-Braick)
Bruchim Habaim L‘Koblenz.
Willkommen in Koblenz. 4. -11.09.2022 und Heimatbesuch 2022
Unter diesem Motto lud die Jüdische Kultusgemeinde Koblenz mit tatkräftiger Unterstützung der Christlich-Jüdischen Gesellschaft für Brüderlichkeit e. V. Koblenz in ihre Räume und die der Jüdischen Gemeinde an der Nahe ein.
Weitere Kooperationspartner waren der Förderverein Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus in Koblenz e. V. und der Freundschaftskreis Koblenz-Petah Tikva e. V.
Die Festwoche, Teil der „Koblenzer Wochen der Demokratie 2022“, begann am 4. September als Beitrag zum Europäischen Tag der Jüdischen Kultur. Sie wurde im Rahmen des Bundesprogramms "Demokratie leben!" durch die Partnerschaft für Demokratie Koblenz und das Kultur- und Schulverwaltungsamt Koblenz unterstützt.
Sieben Nachkommen jüdischer, in der NS-Zeit aus Koblenz bzw. dem Umland geflohener Bürgerinnen aus den USA und Israel waren in dieser Woche als Gast in der Stadt. Zeitzeug:innen der 2. und 3. Generation erlebten gemeinsam mit Menschen verschiedenen Alters aus Koblenz und der Region, dass sie willkommen waren.
Ein bunter Strauß an Veranstaltungen lud ein zu Begegnungen, zum gemeinsamen Rückblick sowie zur Freude am religiösen und kulturellen Erbe. Über zweihundert Menschen haben an dem vielfältigen Programm, das Sie hier finden, teilgenommen. Hervorgehoben seien aus der Fülle von Eindrücken zwei Veranstaltungen, bei denen neue Kontakte entstanden: der großzügige Empfang des Oberbürgermeisters in froher Runde und der rundherum erfreuliche Tagesausflug nach Bad Kreuznach.
Das diesjährige Zusammensein mit Heimatbesuchsgästen machte noch mehr als sonst eine tiefe Verbundenheit von Gastgebern und Gästen deutlich. Ein gemeinsamer Rückblick auf die lange Geschichte der Koblenzer Heimatbesuche (ein Alleinstellungsmerkmal) und die Erinnerung an verstorbene bzw. nicht mehr reisefähige Menschen auf Seiten der Gäste und Gastgeber führten hier und da zu feuchten Augen.
Von 1985 an ist mit nur drei Ausnahmen jährlich ein Heimatbesuch realisiert worden. Manche Gäste kamen über viele, viel Jahre nach Koblenz. Nun gibt es unter unseren Heimatbesuchsgästen keine Zeitzeug:innen des Holocaust mehr. Ein historischer Moment!
Doch kein Abgesang des Heimatbesuchs! Ein Besuch der israelischen Gäste in zwei Oberstufenkursen eines Gymnasiums führte zum Beispiel allen vor Augen, wie wichtig es ist, mit Zeitzeug:innen der 2. und 3. Generation im Gespräch zu bleiben, gerade in Zeiten, in denen mehr denn je wieder Grenzen zwischen Menschen und Nationen gezogen werden.
So verabschiedete man sich mit dem festen Willen, im kommenden Jahr wieder zu einem Heimatbesuch einzuladen und nach Koblenz zu kommen.
(P. Prof. Dr. Alban Rüttenauer, Dr. Wilma Rademacher-Braick)
Bruchim Habaim L‘Koblenz
Willkommen in Koblenz. 4. -11.09.2022 / Heimatbesuch
(Die fett und kursiv gesetzten Programmpunkte waren exklusiv Heimatbesuchsgästen und weiteren geladenen Gästen vorbehalten, alle weiteren waren öffentlich zugänglich; jeweils kein Eintritt). Wenn nicht anders vermerkt, fanden die Veranstaltung im Gemeindesaal der Jüdischen Kultusgemeinde Koblenz, Schwerzstr. 14, 56073 Koblenz, statt.
04.09.2022, 18:00 h: Begrüßungsempfang im Hotel Brenner.
05.09.2022, 18:00 h: Empfang durch den Oberbürgermeister der Stadt Koblenz.
06.09.2022: Stolpersteinführung durch Joachim Hennig. Die Führung begann am Haupteingang des Koblenzer Hauptbahnhofs und endete am Mahnmal auf dem Reichensperger Platz. Der Rundgang führte zu 9 Stolperstein-Stationen.
06.09.2022 18:00 h: Tanz, Musik und Geschichten zum Gedenken an kürzlich verstorbene Heimatbesucherinnen mit der Tanzgruppe Tirkedu (Israelische Volkstänze); mit Konstantin Tereshkin (Klarinette), Jüdische Kultusgemeinde Koblenz; mit Beiträgen von Weggefährt:innen.
07.09.2022, 9:00 – 18:00 h: ganztägiger Busausflug zur Jüdischen Gemeinde Bad Kreuznach und Birkenfeld sowie Stadtführung.
08.09.2022: Treffen mit Schülern und Schülerinnen eines Koblenzer Gymnasiums
08.09.2022, 18:00 h: Vortrag von Dr. Ulrich Offerhaus „Der jüdische Friedhof in Koblenz“ mit anschließender Aussprache.
09.09.2022, 15:00 h: Kaffee und Kuchen im Hotel Brenner zusammen mit Heimatbesuchsgästen auf Einladung des Freundschaftskreises Koblenz-Petah Tikva e. V.
09.09.2022, 17:30 h: Führung durch Christoph Simonis: Synagoge Koblenz und jüdischer Friedhof.
09.09.2022 und 10.09.2022 Möglichkeit zum Gottesdienstbesuch an Shabbat.
11.09.2022, 18:00 h: Abschlusskonzert mit der Koblenzer Gruppe „Monjoy“: Klezmermusik.
Stolperstein-Verlegungen am 6. Juli 2022
Sechs weitere Stolpersteine zum Gedenken an jüdische Mitbürger, die unter der Verfolgung des Nationalsozialismus litten, wurden am Mittwoch, 6. Juli, in der Goldgrube verlegt.
Erich Spiegel lebte in der Waisenhausstraße 6 in einer damals sogenannten „Mischehe“ und wurde am 10.8.1943 in Auschwitz ermordet, die Familie Jordan lebte in der Gutenbergstraße 55. Die Eltern, Lion und Selma Jordan, wurden nach Theresienstadt verschleppt, wo der Vater starb, die Mutter wurde von Theresienstadt weiter nach Auschwitz deportiert und verstarb dort. Die volljährigen Kinder der Familie, Karoline, Friedrich Gustav und Hildegard konnten rechtzeitig nach Palästina oder in die USA emigrieren.
Schüler der St. Franziskus-Schule Koblenz hatten zusammen mit ihrem Geschichtslehrer, Herrn Michael Kranz, anhand der Residentenlisten der Stadt Koblenz die Schicksale recherchiert und stellten die Personen im Rahmen einer feierlichen Verlegung der Stolpersteine vor, die von ihnen auch würdig musikalisch umrahmt wurde. Die Schule will die Patenschaft für die Stolpersteine übernehmen, wie es auch schon für weitere Steine geschehen ist. So sollen Opfer des Holocaust auf lokaler, persönlicher Ebene kennengelernt werden, nicht nur die große unpersönliche Masse betrachtet werden.
Die Kulturdezernentin der Stadt Koblenz, Frau Dr. Theis-Scholz, würdigte in einer kurzen Ansprache das Gedenken an die jüdischen Mitbürger und betonte die Wichtigkeit der Erinnerung für die Zukunft. Neben Frau Dr. Theis-Scholz waren auch Frau Jung vom Bundesprogramm „Demokratie leben!“, Pater Alban Rüttenauer, der neu gewählte Vorsitzende der christlich-jüdischen Gesellschaft Koblenz, sowie Nadine Schmitz, Vorstandsvorsitzende von „Modernes Wohnen“, vor deren Häusern die Steine verlegt wurden, anwesend.
Zum Gedenken an die Mitbürger wurden zum Abschluss der Veranstaltung weiße Rosen an den Stolpersteinen niedergelegt.
(Wolfgang Hüllstrung)
Tradition und Innovation:
Vorstandswahl vom 28.06.2022 und Verabschiedungen
Unsere Gesellschaft hat einen neuen Vorsitzenden gewählt. Der 55jährige Pater Prof. Dr. Alban Rüttenauer (Vincenz Pallotti University) tritt die Nachfolge von Kirchenrat Pfarrer Wolfgang Hüllstrung an, der die Position acht Jahre lang innehatte. Drei weitere Vorstandspositionen standen zur Wahl.
„Die rege Beteiligung an der Mitgliederversammlung zeigt, dass der Verein lebt, auch unter eingeschränkten Bedingungen in Zeiten der Pandemie“, betont der neue Vorsitzende. „Gerade jetzt beobachten wir, dass sich auch in Koblenz Vereine auflösen, weil sie niemanden finden, der für den Vorstand kandidiert. Es macht mich froh, dass wir alle Positionen besetzen konnten. Ich begrüße Dr. Paul Petzel (Andernach) als neuen Beisitzer.“ Weiterhin gehören Avadislav Avadiev als 1. Stellvertreter, Dr. Wilma Rademacher-Braick als 2. Stellvertreterin und Geschäftsführerin sowie Christoph Simonis dem Vorstand an.
Hr. Rüttenauer überschreibt seine Ideen für die nächsten Jahre mit „Tradition und Innovation: bewusst Bewährtes fortführen und beherzt Neues ausprobieren. Sich dieser Herausforderung zu stellen, ist auch das erklärte gemeinsame Ziel von uns als Gesamtvorstand“, betont er. „Da wird es etwa darum gehen, die hergebrachten regelmäßigen Veranstaltungen mit neuen ansprechenden Formaten zu versehen, einen lebendigen Austausch mit den eigenen Mitgliedern sowie den anderen Vereinen aufrechtzuhalten, um so auf Erwartungen von innen und außen angemessen reagieren zu können. Das Hauptziel bleibt bei alledem für uns die Überwindung von Antisemitismus und Intoleranz sowie die Förderung von Frieden und Dialog durch anhaltende Überzeugungsarbeit und gelebtes Beispiel.“
Zwei Mitglieder wurden aufgrund ihrer langjährigen Vorstandsarbeit gewürdigt und verabschiedet: Gernot Jonas und Hans-Werner Schlenzig. Die Verabschiedung von Hrn. Hüllstrung aus dem gewählten Vorstand und der Dank an ihn erfolgen zu einem späteren Zeitpunkt.
(Dr. Wilma Rademacher-Braick)